Werte Frau Präsidentin! Herr Minister! Werte Damen und Herren! Eines vorab: Wir sind grundsätzlich für eine sinnvolle Entwicklungspolitik und für eine zielführende wirtschaftliche Zusammenarbeit. Es kommt uns nicht auf das Ob an, sondern vielmehr auf das Wie. Im Mittelpunkt aller unserer Überlegungen in der Entwicklungspolitik und eben und gerade auch in der wirtschaftlichen Zusammenarbeit muss und sollte der Mensch stehen – der Mensch mit all seinen Träumen, seinen Wünschen, seinem Denken, Fühlen und Handeln. Dazu kommt, dass die Freiheit eines jeden Menschen das höchste Ziel all unseres Strebens sein sollte: die Freiheit, ein Leben in Würde und Selbstbestimmung gestalten zu können, fest eingebettet in ethische, moralische, aber auch gesetzliche Grundlagen. Dabei muss es eben auch legitim sein, als Staat seine Freiheit verteidigen zu können. Dies garantiert den darin Lebenden, so auch uns, den in Deutschland Lebenden, die Sicherheit, nach ihren Wertvorstellungen leben zu können.
Wie ich das letzte Mal bereits sagte: Man kann nur dann helfen, wenn man auch in der Lage ist, zu helfen. So sollte es sein. Ist es auch so? Wie sieht sie aus, die Welt der politischen Hochglanzprospekte der Weltgemeinschaft, verglichen mit dem realen Leben der Menschen in diesen Entwicklungsländern? Steht der Mensch vor dem Profit, oder ist es nicht eher so, dass der Profit immer noch vor dem Menschen steht? Heute mehr denn je, schlimmer denn je, radikaler denn je. Das gilt übrigens selbst hier bei uns, in unserer Wertegemeinschaft.
Zur Sache. 2016, 44 Jahre nachdem die Vereinten Nationen 1972 das Ziel ausgegeben haben, 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungshilfe anzusetzen, haben wir es geschafft. Kinder, wie die Zeit vergeht! Deutschland hat die 0,7-Prozent-Marke erreicht, allerdings nur, weil diverse Beträge der Flüchtlingskosten, die wir in Deutschland gezahlt haben, angerechnet wurden, sonst wären wir immer noch bei 0,5 Prozent. Rechneten wir die Rücküberweisungen der in Deutschland lebenden Migranten in ihre Heimatländer dazu, wären wir wohl schon bei über 1,5 Prozent des Bruttonationaleinkommens. Aber auch und gerade das scheint Entwicklungspolitik zu sein.
2018, 44 Jahre nachdem Gerd Müller im Endspiel der Fußballweltmeisterschaft die deutsche Nationalmannschaft mit seinem legendären Tor zur Weltmeisterschaft führte, haben wir nun wieder einen Gerd Müller, jetzt Dr. Gerd Müller. Auch Dr. Gerd Müller schickt sich an, Weltmeister zu werden, und zwar Weltmeister im Füllen von diversen Entwicklungstöpfen. Gerne wird auch erwähnt, dass wir am meisten geben.
Dabei, Herr Müller, sieht doch vieles nach Eigentor aus. Manches klingt wie ein Lattenknaller. Aber die Realität beweist: Sie scheinen ohne Tore zu spielen. Sie können, wenn Sie so weiterspielen, einfach nicht gewinnen. Dabei können Sie noch so viel in neue Spieler und in neue Manager investieren. Ohne Tore kein Gewinn! Deswegen müssen wir als Deutschland definieren, welche Tore wir schießen wollen, und dürfen das nicht den USA, China oder Frankreich überlassen.
Wirkt Entwicklungshilfe, wie wir sie heute verstehen? Macht es Sinn, den falschen Weg immer weiter zu gehen? Entwicklungshilfe fließt, aber? Nennen wir Beispiele: Im Kongo ist es so schlimm wie nie. Eines der reichsten afrikanischen Länder ist so arm wie nie. Ein Land voller Bodenschätze, Gold, Diamanten und seltene Erden, wird ausgebeutet; ausgebeutet durch postkoloniales Handeln diverser Akteure. Es gibt instabile Verhältnisse und Grenzkriege, angezettelt durch Rebellenbanden; vieles geduldet durch Länder wie Belgien, Frankreich und den Vereinigten Staaten.
Kinderarbeit ist Realität. Verschmutzung des Trinkwassers durch Reinigungsprozesse in den Minen – Realität; dadurch Hunger und Missbildung bei Neugeborenen – Realität.
Niger und Mali, zwei Länder, die im Fokus Europas und der USA stehen, haben – ach Wunder – nicht nur massive Probleme durch Terror, Hunger und Nichtteilhabe, sondern eben auch ganz viele Rohstoffe wie Uran und Kobalt; Kobalt, liebe Grüne, das die E-Mobilität-Produzenten dringend brauchen und Lieferanten aus der Schweiz und China gerne liefern: 10 Kilogramm pro Auto, so rechnet man, abgearbeitet durch Kinderarbeit und Terror. Das ist die grüne Blutrealität, liebe Freunde; denn E-Mobilität ist nicht nur nicht CO2-neutral, sondern wird auch durch Duldung menschenunwürdiger Arbeit in Afrika zu einem grünen Dilemma. Aber darüber reden wir jetzt besser nicht. – Herr Müller, vielleicht wäre es ein guter Ansatz, neben Ihrem grünen Knopf demnächst ein grünes Lenkrad für Fairtrade-Elektroauto-Mobilität einzuführen.
Auf das Uran haben gerade unsere französischen Freunde ein Auge geworfen. Ausbau und Festigung der Kernenergie ist das Ziel. Auch hier sind die USA, China und Frankreich die großen postkolonialen Akteure.
In Syrien herrscht ein Krieg, der weiter von außen gesteuert wird. Ziel: das Verlegen einer Gaspipeline durch Syrien. Akteure: Frankreich und die USA. Deutsche Embargos? Fehlanzeige! Und wo bleiben Sie da, Herr Müller?
Deutschland liefert weiter und immer weiter Entwicklungshilfe. Es ist oft kaum nachvollziehbar, in welchen Kanälen die Gelder versumpfen. Die einen zerstören, wir bauen wieder auf. Vielleicht ist das ja die Aufgabe in unserem globalen Spiel, weil wir eben nicht mitbomben: Wir kleben Pflaster auf die offenen Wunden von Ländern, die klinisch tot sind, aber immer weiter künstlich beatmet werden.
Wollen wir helfen, müssen wir die Tatsachen endlich beim Namen nennen, damit es massiven Druck von außen gibt. Das Elend unserer Welt entsteht durch die Ausbeutung von Mensch und Planet. Da helfen nur wirklich real existierende Leuchtturmprojekte und nicht ständig neue Hochglanzprospekte.
Im Gebiss des Bundeshaushaltes ist der Zahn der Entwicklungspolitik -Herr Müller, Ihres Zukunftsprojektes – an der Wurzel entzündet, er ist faul. Da hilft auch keine Hochglanzfüllung. Da hilft nur eins: ziehen und neu denken! Und dann kann es auch etwas werden mit dem kräftigen Zubeißen sinnvoller Entwicklungspolitik. Dann kann es auch mit dem Toreschießen klappen: Tore für die Wahrheit, Tore für die Menschheit und Tore für Deutschland.
Danke schön.